Gendern und SEO – unvereinbar oder unverzichtbar?

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Gendern ist eine gesellschaftliche Entwicklung, an der kaum jemand vorbeikommt. Auch im SEO wird derzeit lebhaft diskutiert, ob Gender-Mainstreaming sinnvoll oder eher zu vermeiden ist. Anders als in der öffentlich geführten Debatte spielen dabei auch ökonomische Aspekte eine Rolle. Insbesondere die zu- oder abnehmende Sichtbarkeit einer Webseite durch das Gendern von Keywords ist ein Faktor, den es zu berücksichtigen gilt. Wir verschaffen Ihnen einen Überblick über den Stand der Dinge.

Worum geht es beim Gendern?

Per definitionem bedeutet Gendern im Kontext der Linguistik nichts anderes als gendergerechte Sprache. Durch einen geschlechtsneutralen Sprachgebrauch soll die Gleichstellung aller Geschlechter und Identitäten gefördert bzw. zum Ausdruck gebracht werden. Technisch betrachtet werden beim Gender-Mainstreaming zwei Wörter auf ein einziges Wort reduziert: aus „Userin oder User“ wird „User*in“. Das in diesem Beispiel verwendete Gendersternchen ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Weitere Varianten einer gendersensiblen Sprache sind:

  • Binnen-I
  • Schrägstrich
  • Doppelpunkt
  • Gender-Gap

Warum ist Gendern wichtig?

Wie bereits aus der Gender-Definition deutlich wird, soll mit Verwendung von gendergerechter Sprache primär ein gesellschaftlicher Impuls aufgegriffen und unterstützt werden. Es geht dabei um Gleichberechtigung der Geschlechter. Dabei kommt der Sprache im Gegensatz zur Meinung einiger Kritiker durchaus eine zentrale Rolle zu. Sprache ist einerseits ein direkter Ausdruck gesellschaftlicher Denkweisen, andererseits aber auch ein Multiplikator und Impulsgeber für bestimmte Entwicklungen. Sprache prägt die Gesellschaft und wird ihrerseits durch die Gesellschaft geprägt. Sie drückt Werte aus und leistet auf diese Weise einen aktiven Beitrag zur zukünftigen Entwicklung unseres Zusammenlebens.

Gutes Ranking nur mit dem generischen Maskulinum?

Zwischen SEO und Gendern besteht ein problematischer Zusammenhang, denn: Gendergerechte Sprache hat leider oft einen negativen Einfluss auf die Sichtbarkeit von Webseiten. Wenn Sie Ihre Webseiten durchweg auf gendergerechte Sprache umstellen, wird die Anzahl Ihrer Seitenaufrufe mit hoher Wahrscheinlichkeit sinken. Der Grund hierfür ist so simpel wie einleuchtend: Nutzer suchen in der Regel mit dem generischen Maskulinum nach einem Produkt oder einer Dienstleistung. Folglich ist das monatliche Suchvolumen für den gegenderten Begriff „Friseur*in Berlin“ deutlich geringer als das Suchvolumen für „Friseur Berlin“. Dies gilt für beinahe jede der oben aufgeführten Schreibweisen. Auf die einzige Ausnahme – den Doppelpunkt – gehen wir später genauer ein. Generell gilt: Wenn es Ihnen in erster Linie auf die Performance Ihrer Webseite ankommt, sollten Sie entweder bevorzugt auf das generische Maskulinum in der Keywordoptimierung setzen oder unsere sechs Tipps am Ende des Blogartikels beherzigen. Es gibt nämlich – und das ist die gute Nachricht – tatsächlich Möglichkeiten, Genderinklusivität und eine gutes Ranking miteinander zu vereinen.

Ist Google nicht per se diskriminierend?

Der Google-Index umfasst weitaus mehr auf ein maskulines Keyword optimierte Seiten als Seiten, die auf eine gendersensible Sprache optimiert wurden. Dabei ist allerdings zu bedenken: Google steht dem Thema Gendern neutral gegenüber und verhält sich bei der Ausspielung der Suchergebnisse nicht absichtlich frauenfeindlich. Die Suchmaschine reagiert lediglich auf Gewohnheiten ihrer Nutzer. Hypothetisch betrachtet: Würden mehr User bei ihrer Suche gendern, würden automatisch mehr gendergerechte Seiten in den Ergebnislisten weit oben auftauchen.

Warum nimmt Google aktuell noch eine abwartende Haltung ein?

Googles Webmaster Trends Analyst John Mueller hat mehrfach darauf verwiesen, dass die Suchmaschine dem Topic Gendern ergebnisoffen gegenübersteht. Laut Mueller fasst der Google-Algorithmus gegenderte Schreibweisen inzwischen oft als Synonym des generischen Maskulinums auf und spielt derartige Seiten entsprechend weit oben aus. Eine Garantie dafür gibt es bislang jedoch nicht. In anderen Worten: Google hat noch keine einheitliche Vorgehensweise etabliert, in der alle Schreibweisen im Ranking gleichberechtigt behandelt werden.

Suchvolumen vs. Unternehmenswerte – Was ist wichtiger?

Bevor Sie in Ihrem Unternehmen den Content blind Gendern, sollten Sie folgende Fragen beantwortet haben:

  • Entspricht Gender-Mainstreaming unseren Unternehmenswerten?
  • Wie denkt unsere Zielgruppe über gendergerechte Sprache?
  • Handelt es sich bei unseren Keywords um Produkte / Dienstleistungen für ein überwiegend maskulines oder überwiegend weibliches Zielpublikum?
  • Gendert die Konkurrenz?
  • Wie sind die allgemeinen Empfehlungen für unsere Branche

Es kann durchaus sein, dass Sie nach Beantwortung dieser Fragen vor einem Interessenkonflikt stehen: Einerseits möchten Sie die höheren Suchvolumina von maskulinen Begriffen abdecken, andererseits legen Sie auf eine positive Außenwirkung mittels Gender-Mainstreaming wert. Dieser Interessenkonflikt lässt sich jedoch mit relativ geringem Aufwand lösen. Zunächst einmal sollten Sie sich merken: Die Paarform – „Userinnen und User“ – ist der optimale Kompromiss, um beides unter einen Hut zu bekommen.

Welche Gender-Form deckt das größte Suchvolumen ab?

Wenn es um suchmaschinenoptimiertes Gendern von Webseiteninhalten geht, liegt die Paarform im Vergleich zu anderen Schreibweisen vorne. Bei anderen Varianten wie dem Binnen-I oder dem Schrägstrich ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass entweder das eine oder das andere Geschlecht durch den Algorithmus nicht erfasst wird. Ein gutes Ranking für beide Geschlechter ist daher nur mit der Paarform garantiert – vorausgesetzt, Sie möchten auf Ihren Webseiten eine gendersensible Sprache verwenden. Falls nicht, ist die weibliche bzw. männliche Einzahl die beste Lösung.

Welches Gendern ist empfehlenswert für ein vollständig inklusives Schriftbild?

Sie möchten Ihren Nutzern ein komplett inklusives Schriftbild bieten und beim Gendern nicht auf die Kompromisslösung Paarform zurückgreifen? In diesem Fall ist der Doppelpunkt aus aktueller Sicht die beste Lösung. Obwohl Google noch keinen einheitlichen Standard für den Umgang mit Gendern entwickelt hat, scheint der Doppelpunkt gegenüber anderen Schreibweisen im Vorteil zu sein. Google interpretiert derart gegenderte Begriffe sowohl als männlichen als auch als weiblichen Suchbegriff. Die betreffende Webseite wird dementsprechend für beide Begriffe im Index aufgenommen. Vorsicht ist bei Begriffen wie „Expert:in“ geboten, bei denen der männliche Begriff nicht vollständig im ausgeschriebenen Wort enthalten ist. Auf das Keyword „Experte“ optimierte Seiten würden in diesem Fall nicht vom Algorithmus erfasst werden.

Warum interpretiert Google manche Schreibweisen als Fehler?

Eine weitere zu überwindende Hürde beim Gendern ist die Neigung von Google, manche Schreibweisen irrtümlicherweise als Fehler zu verstehen. Gerade bei selten gesuchten Begriffen wie „Orthopädin München“ bzw. „Orthopäd:in München“ kann dies vorkommen. Die meisten User suchen nach „Orthopäde München“. Google spielt deshalb trotz gegendertem Suchbegriff oder sogar bei explizit weiblichem Suchbegriff in erster Linie männliche Suchergebnisse aus. Eine Orthopädin in München, die ihre Seite auf ihr Geschlecht optimiert hat, hätte somit das Nachsehen. Es wäre dann sinnvoll, die Seite auch auf männliche Begriffe hin zu optimieren. Dies muss nicht unbedingt im Fließtext sein, sondern kann zum Beispiel auch über die Metaangaben oder die Bezeichnung von Bilddateien erfolgen.

Wie funktioniert einfaches Gendern für Ihre Webseite?

  1. Vermeiden Sie beim Gendern eine übertriebene Zeichensetzung. Google stößt sich besonders an komplexen Schreibweisen wie „ein/-e kompetent/-er Elektriker/-in“ und stuft diese häufig als fehlerhafte Grammatik ein.
  2. Betonen Sie die Leistung anstelle der Person. Eine Optimierung auf „Maschinenbau“ ist unter Umständen zielführender als eine Optimierung auf „Maschinenbauer:in“.
  3. Die deutsche Sprache ist reich an genderneutralen Synonymen, die Sie großzügig einsetzen sollten. Anstatt konsequent zu gendern, können Sie zum Beispiel genderneutrale Formulierungen wie „Personal“ oder „Team“ einbauen.
  4. Verwenden Sie substantivierte Partizipien und Relativsätze, die den Suchbegriff genderneutral erfassen. Ein Beispiel für ein substantiviertes Partizip wäre „Radfahrende“ statt „Radfahrer“, ein Beispiel für einen Relativsatz wäre „Fachleute, die in der Texterstellung tätig sind“ statt „Texter“.
  5. Um die Qualität und Sichtbarkeit Ihrer Webseitentexte zu erhöhen, sollten Sie beim Gendern auf verschiedene Varianten zurückgreifen. Dadurch ranken Sie im Zweifelsfall auch dann für beide Geschlechter, wenn Google seinen Algorithmus kurzfristig anpasst.
  6. Nutzen Sie weniger exponierte Stellen, um die männliche bzw. weibliche Form unterzubringen. Geeignet sind zum Beispiel Bild-Dateinamen, lange URL-Namen, Alt-Attribute, Meta Title und Meta Description.

Ausblick: Wie geht es mit dem Thema Gendern und SEO in Zukunft weiter?

Die weitere Entwicklung des Themas Gendern ist an zwei Faktoren geknüpft:

  1. Die gesamtgesellschaftliche Entwicklung und Akzeptanz
  2. Die interne Politik von Google, Bing & Co

Eines scheint klar zu sein: Sprachliche Weiterentwicklung und progressiver Wandel lassen sich nicht dauerhaft aufhalten. Genderoptimierten SEO-Texten gehört deshalb – zumindest in fortschrittlichen Branchen – die Zukunft.